Es war in der Vorweihnachtszeit als ich mir Gedanken über die Wahl der Weihnachtsgeschenke für meine Kinder gemacht habe. Ich wurde traurig weil mir die Masse an Dingen, die wir zu Weihnachten konsumieren, so riesengroß vor meinem inneren Auge erschienen ist. Wenn ich die tatsächlichen Bedürfnisse eines Kindes dem entgegenstelle, ist das eine unfassbare Verschwendung an Ressourcen und Geldern.
Zu dieser Zeit war ich als Leiterin einer Spielegruppe gut mit Eltern gleichaltriger Kinder vernetzt. Ich nutzte dieses Netzwerk um ein ganz besonderes Weihnachtswichteln einzuführen. Ich begründete einen Verleihbasar im Dorf, der zu Weihnachten startete. Jedes Kind hat so etwas "Neues" erhalten. Bei abklingendem Interesse wurde das Spielzeug wieder zurück gegeben und es entstand Platz für etwas Neues. Diese Spielzeugverleihbörse wurde fortan auch unterm Jahr weitergeführt. Es macht Freude, sich auf das Geben und Nehmen unbefangen einzulassen.
Bereits als Kinder lernten wir oft eine der wichtigsten sozialen Lektionen: Teilen. Unsere Eltern ermutigten uns, Spielsachen mit den Nachbarskindern zu teilen, Freundschaften zu knüpfen und Konflikte friedlich zu lösen. Das Teilen war ein Teil unseres Alltags und galt als eine Tugend, die uns half, Gemeinschaft zu erleben und gegenseitiges Vertrauen zu entwickeln. Doch warum hat das Teilen im Erwachsenenalter so stark an Bedeutung verloren? Warum fällt es uns heute so schwer, Dinge wie Geräte, Werkzeuge oder sogar Wissen und Zeit zu teilen? In diesem Artikel möchte ich dieser Frage nachgehen und einige Gründe beleuchten, warum wir als Erwachsene oft davor zurückscheuen, etwas zu leihen oder zu teilen.
Das Teilen in der Kindheit: Eine Lektion in Gemeinschaft
In unserer Kindheit war das Teilen fast eine Selbstverständlichkeit. Es gab oft weniger Ressourcen als heute, und die Vorstellung, dass nicht jedes Kind sein eigenes Spielzeug haben kann, war weit verbreitet. Eltern und Lehrer vermittelten uns die Idee, dass Teilen eine Form des Miteinanders ist. Indem wir teilten, lernten wir, Rücksicht zu nehmen, Großzügigkeit zu zeigen und Beziehungen aufzubauen.
In unseren gemeinsamen Spielen waren wir oft Superhelden mit Superkräften.
Doch dann wurden wir älter und unser Spiel veränderte sich.
Die Individualisierung im Erwachsenenalter: Jeder für sich
Im Erwachsenenalter wird Teilen plötzlich komplizierter. Der Gedanke, etwas mit dem Nachbarn zu teilen, erscheint vielen Menschen als unangenehm. Jeder möchte sein eigenes Werkzeug, sein eigenes Auto, sein eigenes Haus – auch wenn das bedeutet, dass viele dieser Dinge nur selten genutzt werden. Diese Entwicklung hängt eng mit gesellschaftlichen Trends der Individualisierung zusammen. In unserer modernen Gesellschaft wird der Besitz als ein Zeichen von Unabhängigkeit und Erfolg angesehen. Das Gefühl, auf andere angewiesen zu sein, wird oft als Schwäche empfunden. Wir haben uns daran gewöhnt, unsere Selbstständigkeit zu feiern, und vergessen dabei, dass das Teilen uns nicht weniger unabhängig macht – sondern oft sogar erleichtert.
Diese Einstellung hat auch viel mit unserem sozialen Umfeld zu tun. In städtischen Gebieten, wo viele Menschen anonym nebeneinander leben, fällt es schwerer, Vertrauen aufzubauen. Wir kennen unsere Nachbarn oft kaum, geschweige denn, dass wir bereit wären, ihnen unseren Rasenmäher oder unser Auto zu leihen. Anders als in der Kindheit, wo die Eltern als Vermittler fungierten und uns zum Teilen ermutigten, gibt es im Erwachsenenleben keine „Autoritätspersonen“, die uns daran erinnern, dass Teilen sinnvoll ist.
Materieller Besitz als Teil der Identität
Ein weiterer Faktor, der das Teilen im Erwachsenenalter erschwert, ist die Bedeutung, die wir materiellem Besitz beimessen. Dinge, die wir besitzen, sind mehr als nur Gegenstände – sie sind ein Ausdruck unserer Identität. Das eigene Auto, die hochwertige Kaffeemaschine oder der schöne Garten stehen oft symbolisch für den Erfolg, den wir uns im Leben erarbeitet haben. Diese Besitztümer zu teilen, bedeutet für viele, einen Teil ihrer Identität zu „entblößen“.
Zudem gibt es die Sorge, dass geliehene Gegenstände nicht pfleglich behandelt werden könnten. Was, wenn der Nachbar den Rasenmäher kaputtmacht oder nicht zurückgibt? Dieses Risiko führt dazu, dass viele lieber in einen eigenen Rasenmäher investieren, selbst wenn er nur wenige Male im Jahr genutzt wird.
Die Angst vor Abhängigkeit
Ein weiterer Grund, warum das Teilen schwieriger wird, ist die Angst vor Abhängigkeit. Im Erwachsenenleben möchten wir ungern das Gefühl haben, auf andere angewiesen zu sein. Das Leihen von Gegenständen oder die Bitte um Hilfe kann das Gefühl vermitteln, nicht alles selbst im Griff zu haben. Dies widerspricht dem Bild des idealisierten „selbstständigen Erwachsenen“, der alles alleine bewältigt. Teilen und Leihen bringen oft auch das ungeschriebene Gesetz der Gegenseitigkeit mit sich – wenn ich heute den Rasenmäher leihen darf, erwarte ich, dass ich morgen etwas zurückgeben muss. Diese unausgesprochenen sozialen Verpflichtungen führen oft dazu, dass wir lieber alles alleine besitzen, anstatt in ein System des Gebens und Nehmens einzutreten.
Wege zurück zur Gemeinschaft: Warum Teilen wieder wichtig wird
Trotz dieser Herausforderungen gibt es heute viele Bewegungen, die das Prinzip des Teilens wieder in den Vordergrund rücken. Sharing-Communities, Nachbarschaftsplattformen und Carsharing-Dienste gewinnen an Popularität und zeigen, dass das Teilen nicht nur ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl stärken kann. In einer Welt, in der Ressourcen immer knapper werden und der Klimawandel uns zu einem nachhaltigeren Lebensstil zwingt, könnte das Teilen von Dingen wieder an Bedeutung gewinnen.
Durch das Teilen lernen wir, Vertrauen aufzubauen, Großzügigkeit zu üben und Verantwortung zu übernehmen – Eigenschaften, die in einer zunehmend isolierten Welt wertvoller denn je sind.
Teilen als Chance
Auch wenn wir als Erwachsene das Teilen oft verlernt haben, lohnt es sich, diese alte Tugend wiederzubeleben. Es mag Überwindung kosten, den ersten Schritt zu machen, aber die Vorteile sind enorm: weniger Ressourcenverschwendung, mehr Gemeinschaft und eine gesündere Einstellung zum Besitz. Vielleicht ist es an der Zeit, nicht nur an das zu denken, was wir besitzen, sondern auch daran, wie wir gemeinsam mehr erreichen können.
Die Lektionen, die wir als Kinder gelernt haben, haben heute mehr Relevanz denn je. Teilen ist nicht nur eine Frage des Gebens, sondern auch des Empfangens – und beides kann unser Leben bereichern.
Nehmt diesen Anstoß gerne als Aufforderung an, auf den Gruppenseiten Tausch- oder Leihartikel nachzufragen oder anzubieten. Nachhaltiges Handeln ist stark für die Augenoptik.
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